Die Tafel Ravensburg zählt derzeit ungefähr 300 Kundinnen und Kunden. Ein nicht unerheblicher Teil sind verwitwete Menschen, die im Alter unverschuldet finanzschwach sind, was auch als Altersarmut bezeichnet wird. Zu ihnen zählt Gjylsha Berisha. Sie nutzt das Angebot des DRK-Kreisverbandes Ravensburg schon lange. Es hilft ihr, mit dem wenigen zur Verfügung stehenden Geld über die Runden zu kommen.
Einmal die Woche – immer donnerstags am Seniorentag – kauft Gjylsha Berisha in der Tafel Ravensburg ein. Sie schätzt das Angebot an Obst und Gemüse, Kartoffeln und Milchprodukten. Auch von den Kosmetikartikeln, die mitunter im Sortiment sind, profitiert sie. Außerdem findet sie: „Die Bedienungen im Laden sind sehr nette Leute.“ Doch selbstverständlich reicht der Einkauf bei der Tafel nicht für sieben Tage. „Brot kann man nicht für die ganze Woche kaufen“, sagt sie. Die Tafeleinkäufe machen etwa 20 bis 30 Prozent ihres Lebensmittelbedarfs aus, schätzt Gjylsha Berisha.
Traumatisiert durch Krieg und Flucht
Im Kosovo, ihrer Heimat, hat sie die Wirtschaftsuni besucht, auch ihr Mann war gut ausgebildet. „Ich dachte immer, ich werde ein schönes Leben haben“, sagt die 68-Jährige, die eine unerschütterlich positive Ausstrahlung zu besitzen scheint. Ihre Familie war wohlhabend. Doch dann kam der Balkankrieg. Gefährdet durch die politischen Aktivitäten ihres Vaters, floh sie 1994 mit Mann, Schwiegervater und kleinem Sohn, um Krieg und Gewalt zu entkommen. In letzter Minute sei die Flucht geglückt, erzählt sie. Angekommen in Karlsruhe, endete die Odyssee in Blitzenreute. Doch die Sorgen waren längst nicht vorbei.
Dauerhafte Sorgen
In den vielen Jahren bis zur Einbürgerung vor rund acht Jahren blieb der Druck und die Angst. Gjylsha Berisha drückt dabei kräftig mit einer Faust auf das Brustbein, um die großen Ängste zu untermauern. Immer schwebte die mögliche Abschiebung über ihr. Vor rund zehn Jahren zog sie mit ihrer Familie nach Ravensburg. „Hier ist es viel einfacher“, strahlt die Frau. Sie könne unabhängig in die Stadt gehen und beispielsweise ihren Einkauf tätigen. Krieg und Flucht machten jedoch nicht nur ihren Mann seelisch krank, den sie bis zu dessen Tod vor acht Jahren betreute. Auch sie selbst ist traumatisiert, was sich durch schwere psychosomatische Krankheitsbilder bemerkbar macht. Dazu die Sorge um ihren Sohn, ihr einziges Kind, der die Flucht als Kleinkind erlebt hat, und ebenfalls an den Folgen leidet.
Innere Stärke gegen äußere Widrigkeiten
Gjylsha Berisha lebt von Bürgergeld und etwas Pflegegeld, das sie für die Versorgung ihres Sohnes erhält. Wie sie ihr belastetes Leben bisher bewältigt hat und dabei ihre positive Ausstrahlung behielt, erklärt sie so: „Ich war immer stark und ich habe nie aufgegeben.“
Nachgefragt bei Siegfried Müller, Leiter der Tafel Ravensburg
Herr Müller, viele Menschen müssen besonders im Alter mit wenig Geld auskommen. Wie hoch ist der Anteil der Seniorinnen und Senioren, die bei der Tafel Ravensburg einkaufen?
Derzeit kommen etwa 45 Seniorinnen und Senioren mit Berechtigung zum Einkauf in die Tafel von insgesamt etwa 300 Kundinnen und Kunden. Uns liegen keine konkreten Zahlen vor, aber wir von der Tafel schätzen, dass durchaus mehr ältere Menschen in Ravensburg aufgrund ihrer geringen Rente in der Tafel einkaufen könnten.
Warum nutzen sie die Tafel dann nicht?
Für viele ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger ist ihre Armut stark mit Scham besetzt. Die Folge ist, dass sie deswegen lieber auf eine finanzielle Erleichterung verzichten. Wir können ihnen die Sorge aber nehmen. Unser Einlasssystem ermöglicht einen recht diskreten Einkauf. Durch zugewiesene Einlasszeiten gibt es zum Beispiel keine ausgeprägten Wartezeiten vor dem Laden.
Was benötigen Menschen und wo bekommen sie die Berechtigung?
Tafelkundinnen und -kunden müssen uns einen Berechtigungsschein vorlegen. Wenn jemand zum Beispiel Sozialhilfe bekommt, hat diese Person die Möglichkeit beim Amt die Berechtigung zu beantragen. Man geht persönlich hin, es wird ein Foto gemacht, der Tafel-Ausweis ausgefüllt. In der Regel ist das ein unkomplizierter Vorgang, bei dem der Berechtigungsschein direkt ausgestellt wird und die Leute ihn sofort mitnehmen können.
